Den folgenden Brief haben wir gemeinsam mit einigen unserer Partnervereine an die aktuelle Bundesbauministerin gesendet:
Offener Brief zu dringenden Mietrechtsreformen
Sehr geehrte Frau Bundesjustizministerin Hubig,
als Büroleitung des Vereins Mieter helfen Mietern Frankfurt e.V.– einem seit beinah 40 Jahren etablierten Mieterverein in Frankfurt am Main – wenden wir uns an Sie, um auf die Notwendigkeit gesetzgeberischer Initiativen zur Eindämmung systemischer Missstände im Mietrecht aufmerksam zu machen. Im Einzelnen möchten wir Ihnen folgende Vorschläge und Anregungen unterbreiten:
1. Kündigungsschutz verbessern
Es freut uns sehr, dass Sie die Möglichkeit der Schonfristzahlung auch bei ordentlichen Kündigungen wegen Zahlungsverzugs noch in diesem Jahr etablieren wollen. Das Problem wird inzwischen seit 15 Jahren diskutiert und würde vielen Mieter:innen eine zweite Chance geben.
Die Verhinderungen von Umzügen auf einem überhitzen Wohnungsmarkt ist zudem auch ein wichtiges mietenpolitisches Ziel, denn jeder Umzug führt quasi über Nacht zu zwei teuren Mietvertragsschlüssen. Denn zumindest in den Ballungsgebieten werden alte Bestandswohnungen mindestens 30 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete angeboten, sobald sie frei werden.
Mieterhöhungen, Mietrückstände und vorgeschobener Eigenbedarf sind alles Hebel zur Beendigung alter günstiger Mietverträge. Ein stabiler Kündigungsschutz ist deshalb die Grundvoraussetzung für ein soziales Mietrecht.
Schutz vor missbräuchlicher Eigenbedarfskündigung (§ 573 Abs. 2 BGB): Wir plädieren dafür, die Praxis „gekaufter Eigenbedarf“ (Erwerb vermieteter Objekte mit anschließender Kündigung) gesetzlich zu unterbinden. Es erscheint sachgerecht, das Eigenbedarfsrecht bei Wohnungskäufen auszuschließen, sofern der Mieter zum Kaufzeitpunkt bereits im Objekt lebte. Wir möchten eben-falls anregen, eine Beweislastumkehr im Räumungsverfahren einzuführen, wenn eine Eigenbedarfskündigung innerhalb von 36 Monaten nach einer Mietpreisanfechtung erfolgt. Solche Kündigungen erleben wir regelmäßig im Nachgang zu einer Rüge wegen eines Verstoßes gegen die Mietpreisbremse. Noch klarer wäre es, eine ordentliche Kündigung drei Jahre nach einer Mietpreis-bremsen-Rüge auszuschließen.
Der Eigenbedarf muss eng gefasst und eine Abwägung mit dem Bleibeinteresse der Mieter:in eingeführt werden. Bislang kommen die Interessen der Mieter:innen im Tatbestand nicht vor. Es gibt lediglich den sozialen Härtewiderspruch als löchriges Auffangnetz. Zuvor geht es nur um ein plausibles Erlangungsinteresse der Vermieterseite. Das ist weder ausgewogen noch sozial.
2. Sanktionierung von Mietpreisverstößen
Um die Wirksamkeit der Mietpreisbremse (§ 556d BGB) zu stärken, empfehlen wir die Einführung eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes mit spürbaren Bußgeldern. Zudem regen wir an, den Anwendungsbereich der Mietpreisbremse auf alle bis zum 31.12.2023 errichteten Wohngebäude auszudehnen. Die zahllosen Ausnahmen und Einschränkungen müssen für eine praktische Anwendbarkeit gestrichen werden. Das gilt insbesondere für die Möglichkeit, eine hohe Vormiete als Grund für eine Überschreitung der Mietpreisbremsen-Grenze nutzen zu können. Zudem muss § 5 Wirtschaftsstrafgesetz geschärft werden, um alle überhöhten Mietforderungen wirksam bekämpfen zu können.
3. Begrenzung von Möblierungszuschlägen (§ 535 Abs. 2 BGB)
Wir regen an, eine gesetzliche Präzisierung des § 535 Abs. 2 BGB vorzunehmen, um Möblierungszuschläge auf maximal 10 % der ortsüblichen Vergleichsmiete zu begrenzen. Zuschläge sollten aus-schließlich bei nachweislich neu beschafften Möbeln und unter Ausschluss pauschaler Berechnungen zulässig sein. Dies würde die Umgehung der Mietpreisbremse durch Scheinmöblierungen unterbinden.
4. Schutz vor Umgehungen des Mietrechts
Die zimmerweise Vermietung von Wohnungen ist eine inzwischen gängige Praxis die Mietpreis-bremse und jeglichen Mieterschutz zu umgehen. Denn der Vermieter behält Zugriff auf die Wohnung und bestimmt die Mieterwechsel, so dass sich die Mieter:innen weder gegen überhöhte Mieten noch gegen Schikane zur Wehr setzen können. Ein explizites Verbot solcher Vermietungsmodelle z.B. im Wohnraumschutzgesetz wäre wünschenswert.
5. Mietenstopp und Reform des Mietspiegelrechts (§ 558c BGB)
Angesichts der durchschnittlichen Mietsteigerung von 4,7 % im Jahr 2024 (in Ballungsräumen bis zu 12 %) und der damit verbundenen Überschreitung der 40 %-Einkommensbelastungsgrenze bei einem Großteil der Mieterhaushalte, möchten wir dringend anregen:
- Einen bundesweiten Mietendeckel einzuführen.
- Einen sechsjährigen Mietenstopp für alle Nettokaltmieten über 10 €/m² in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt einzuführen.
- Den Erhebungszeitraum für Mietspiegel gemäß § 558c BGB von 6 auf 20 Jahre zu erweitern, um verzerrende Effekte zu vermeiden.
- Ein pauschales Verfahren zur Ausreißerbereinigung zu etablieren.
Die genannten Maßnahmen erscheinen uns nicht nur verfassungsrechtlich geboten (Sozialstaatsprinzip, Art. 20 GG), sondern auch volkswirtschaftlich zwingend, um weitere Segregationsprozesse zu verhindern. Gerne bringen wir unsere Expertise in die Ausarbeitung konkreter Gesetzesformulierungen ein und stehen für einen konstruktiven Dialog zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Conny Petzold, Christopher Haas
Büroleitung